EU oder nicht EU, dass ist hier die Frage!

Vom Mitgliederwerben und der Frage ob Norwegen aus dem EWR (Europäischer Wirtschaftsraum) austreten soll

Der Tag begann zeitig in der Früh. Ich wurde von Kollegen der lokalen Gewerkschaft, welche die Installateure betreuen eingeladen, um mir ihre Arbeit vor Ort anzusehen.

In Norwegen, dem Land mit dem höchsten Kaffeekonsum, startet jedes Gespräch mit einem Kaffee! Joachim und Boye erklärten mir die Geschichte der Installateure von Norwegen von damals bis heute. Bis hin zur heutigen Situation der Kollegen am Bau.

Boye Ullmann – Mr. Serious – Joachim Espe

Der Kollektivvertrag ist sehr komplex für Laien. Denn für jede Arbeit der Installateure gibt es einen eigenen Lohn. Dieser muss am Ende des Tages zusammengerechnet werden und dem Sprecher der Gruppe übergeben werden. Daraus resultiert dann der Monatslohn (Ca 3300€)

Es gibt eigene Schulungen für die Kollegen wie man zu dem Tageslohn kommt.

Das größte Problem ist aber auch hier das Lohn und sozial Dumping. Das Beschäftigten mit einem unbefristeten Vertrag werden immer weniger und die Leiharbeit nimmt rasant zu. Deshalb wurde auch im Bereich der Installateure ein Mindestlohn von ca 85% vom Durchschnittseinkommen vereinbart. Eine eigene Arbeitsbehörde gibt es – aber diese Arbeitet laut der Gewerkschaft halt nur wie eine Behörde…

Eine große Errungenschaft in den letzten Jahren war zb, dass Männer 2 Wochen bei Geburt ihres Kindes, bezahlt zu Hause bleiben können!

Aber hier gilt – jeder Kollektivvertrag muss mit jeder Firma vereinbart werden – sonst gibt es keinen!

Um 10:30Uhr geht es los, denn um 11 Uhr beginnt hier in Norwegen die Mittagspause!

Ab ins Auto und wir fahren Richtung der großen Baustellen in der Stadt. Fenster runter und wir grüßen die Kollegen und fragen wo sie ihr Mittagessen einnehmen.

Dort wird dann in polnisch, türkisch, englisch, schwedisch, norwegisch und deutsch den Kollegen die Gewerkschaft nähergebracht. Viele haben ihren Lohn noch nicht erhalten oder wurden in den letzten Wochen mehrmals in Firmen hin und her geschoben. Boye droht während seiner Rede auch mit Löhnen wie in Deutschland! Wenn sie nicht Mitglied werden, bekommen sie in Zukunft auch nur noch 10€ Stundenlohn und nicht 20€ wie die meisten hier.

Leider konnten wir heute niemanden überzeugen – aber die ständige Präsenz und das Verteilen von Visitenkarten bringt die Kollegen bei Problemen in die Gewerkschaft.

Danach setzen wir unsere Diskussion über den Arbeitsmarkt in Europa fort. Denn Boye ist ein Arbeitnehmervertreter durch und durch – und ein großer Kritiker, dass Norwegen dem EWR beigetreten ist.

Zur Person: https://no.wikipedia.org/wiki/Boye_Ullmann

Es stellte sich am Ende die Frage, was unsere Kollegen in Österreich nun von Europa haben. Ist es gescheit in der EU oder nur im EWR zu sein, um dann zu versuchen für die Kollegen zu Verbesserungen zu verhandeln oder ist der Weg, raus aus der EU und dem EWR vielleicht doch der sinnvollere?! Denn auf die Frage ob es den ArbeitnehmerInnen in Österreich jetzt viel besser gehe – konnte ich im Moment auch nicht ein Loblied singen. Aber keiner weiß, wie es anders aussehen würde. Österreich mit Norwegen zu vergleichen – ist alleine aufgrund der geopolitischen Lage – auch nicht möglich.

Aus meiner Sicht finden die Unternehmer immer einen Weg, Menschen auszubeuten. Egal ob mit oder ohne EU, müssen die Gewerkschaften in einem Land so stark sein, dass die Kollegen ihren fairen Anteil bekommen.

Der Austritt aus dem EWR wird ein heißes Thema am Kongress bei Fellesforbundet im Herbst. Vieles deutet auf einen pro EU Kurs hin – aber die Kritiker werden sich fleißig zu Wort melden!