Meine 2. Woche hier in Stockholm steht im Zeichen der unterschiedlichen Arbeitsweisen von IF Metall und UNIONEN. 2 Tage konnte ich – gemeinsam mit meiner Kollegin Gerlinde Gschwendtner – bei IF Metall verbringen, ansonsten verbringe ich ja meine Zeit hier in Schweden nur bei den UNIONEN.
Diese beiden Tage bei IF Metall haben mir aber einigen Aufschluss darüber gebracht, was die essenziellen Unterschiede in der gewerkschaftlichen Arbeit dieser beiden Organisationen betrifft. Das geht über den Begriffe „Blue Collar“ und „White Collar“ hinaus. Hier geht es auch um politischen Impact und Vernetzung mit ebendieser.
Während die UNIONEN praktisch keine Verbindung zur Politik pflegen, ist IF Metall sehr stark mit der Sozialdemokratie hier in Schweden vernetzt. Das bedeutet jedoch nicht, dass UNIONEN unpolitisch sind, wie schon in meinem ersten Blogeintrag erwähnt. Vielmehr geht es IF Metall auch darum, über politische Arbeit die Gesellschaft gesamtheitlich mit zu gestalten. Diesen Anspruch haben UNIONEN abgelegt. Sie konzentrieren sich auf die Vertretung von Mitgliedern in arbeitsrechtlichen Belangen. Natürlich sind aber auch hier Gesetzwerdungsprozesse ein Thema. UNIONEN möchten aber auf alle Parteien einen gleichen Einfluss und daher auch eine gleiche Unabhängigkeit bewahren.
Blue and White Collar: Wo ist hier der Unterschied zum „Österreischischen System“? Es ist relativ einfach. Das Arbeitsrecht hier in Schweden ist unglaublich dünn (Foto unten) und kennt keinen Unterschied zwischen Arbeitern und Angestellten. Ganz im Gegensatz zu Österreich. Dafür gibt es für die jeweilige Gruppe eigene Kollektivverträge. Diese Kollektivverträge sind zudem etwas ausführlicher als bei uns und werden meist für 3 Jahre ausverhandelt. Auch die Erhöhung des Gehalts wird für 3 Jahre ausverhandelt. Uns wurde das so erklärt: Gibt es für die 3 Jahre beispielsweise 6% Erhöhung, kann sich die Firma aussuchen, wann sie die 6% auszahlt. Möglich wäre 2%/2%2/%, aber auch 1,5%/2,5%2% und so weiter. Sehr eigenartig, vor allem wenn ich mich an den Unterricht von Alfred Krauss zurück erinnere – was es hier für Möglichkeiten gibt, damit die ArbeitnehmerInnen schlechter aussteigen („Umverteilung von Arbeit zu Kapital“ hör ich da ganz leise in meinen Ohren).
Die Verhandlungen für die Kollektivverträge werden auch in Schweden von einer „Leitbranche“ – wie bei uns von den Metaller – angeführt. Hier ist es die Export Gewerkschaft, welche den untersten Sockel (z.B. 2,3%) definiert.
Zurück zu den verschiedenen Ausrichtungen der beiden Gewerkschaften UNIONEN und IF Metall. Über die UNIONEN habe ich bereits einiges berichtet. Zusammengefasst kann ich sagen, dass die UNIONEN sehr viel Wert legen auf Marketing und Image. Und dabei versuchen, nicht politisch in eine Ecke gestellt werden zu können. Bei IF Metall ticken die Uhren etwas anders. Die Büros sind seperariert, keine Shared Workspace, viel Papier, viele Unterlagen. Gewerkschaftsarbeit, wie man es kennt. Ganz wichtig – das ist keine Wertung. IF Metall hat eine unglaublich hohe Mitgliederzahl. Sie sind erfolgreich. Wissen aber auch, dass sie sich entwickeln müssen. Ebendas hat man mit einer Bildunsoffensive versucht. Zusätzlich, zu den rund 3 Mio Euro, wurden für die nächsten drei Jahre 7,5 Mio vom letzten Congress freigegeben. Ziel dieser Bildungsoffensive ist es, dass 100% der „Shop Stewards“ zumindest die Basisausbildung gemacht haben. Leider hat das Programm, das noch ein Jahr läuft, nicht ganz so funktioniert, wie erhofft.
IF Metall wird nun auch, so wie UNIONEN bereits machen, eine Arbeitslosenversicherung für ihre Mitglieder machen. Das ermöglicht Mitgliedern, für eine bestimmte Zeit bis zu 80% des letzten Gehalts zu beziehen. Arbeitslosigkeit ist damit nicht mehr mit Existenzängsten verbunden. Ein wesentlicher Grund übrigens, damit viele Personen Gewerkschaftsmitlgieder werden. Super Sache. Apropos super Sache. Selbst auf den Visitenkarten der Ompudsmen (Gewerkschaftssekretäre) sind Mitgliedsanmeldungen zu finden.
Was ich auch bei IF Metall gelernt habe, ist die Tatsache, dass es in Schweden von 1-20 Mitarbeiter „Shop Stewards“ und von 20-3500 einen sogenannten „Local Trade Union Club“ gibt. Hat ein Unternehmen einen Kollektivvertrag, so dürfen diese Unternehmen auch von Gewerkschaftern betreten werden. Natürlich auch von Gewerkschafterinnen 😉
IF Metall arbeitet nicht nur politisch sehr ähnlich wie unsere Gewerkschaften, sondern sind uns auch in der Organisation der Organisation sehr ähnlich. Nicht so die UNIONEN. Hier gelten andere Regeln. Beispielhaft und ohne Wertung durch die Reihung ein paar Auszüge: Einfache Ansprache, wenig Text bei Mitgliederkarten; „Speak things in a different way“; „Adds“ auf Websites – die UNIONEN verfolgen das Thema „Targeted Advertising“ bereits schon länger. Also zielgerichtete Werbung mittels Cookies (keine kleinen Kuchen, sondern die Dinger, die man auf einer Website ständig akzeptieren soll) im Internet. Es gibt auch eine 2 Monate Gratismitgliedschaft. Wenn man Mitglied wird, bekommt man übrigens das erste Jahr jedes Monat eine Info von der Gewerkschaft zugesandt. Mit Betonung auf EINE Info! Also was bringt die Mitgliedschaft. Nicht 10 Gründe auf einmal, nein einen Punkt. Und das ein ganzes Jahr lang.
Vong Wording her: „Wir gewinnen keine Mitglieder, wenn wir sagen, dass uns der Himmel auf den Kopf fällt.“ Bei den UNIONEN wird eine positive Sprache verwendet. Die Mitglieder kommen ja trotzdem wenn sie Probleme haben zu ihnen. Das oberste „Goal“ bei den UNIONEN ist es, dass ein Mitglied eigentlich ein „Shop Steward“ werden sollte. Was natürlich nicht immer der Fall sein kann. Aber es wird in Stufen gedacht. Vom negativ eingestellten Angestellten, bis zum Betriebsrat. Dazwischen findet sich noch die interessierte Person, das normale Mitglied, das loyale und aktive Mitglied, und ganz oben eben der „Shop Steward“. Solche Ziele zu verfolgen halte ich für sehr sinnvoll.
Ein wichtiges Thema für die Gewerkschaften – für alle – ist natürlich die Politik. Mir wurde gesagt, dass es in Schweden keine dezitierten rechten Gewerkschaften gibt. Personen können aber natürlich unterschiedliche Ansichten haben. Politisch gibt es aber durchaus die Befürchtung, dass rechte Politk die Rechte der ArbeitnehmerInnen einschränken kann. Die Strömungen nehmen sie bereits in ganz Europa wahr – Österreich ist hier ein glänzendes Negativbeispiel. Die Gewerkschaften setzen sich gegen Sozialdumping ein und sind daher auch kritisch, was „billige Arbeitskräfte“ aus dem Ausland angeht. Ob das rechte Politik ist, oder nicht, ist jedem selbst überlassen.
Hier noch eine Galerie meiner Erfahrungen der letzten Woche: